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Pressemeldungen

5. Innovationstagung des Berufsförderungswerks Fliesen Baden-Württemberg

Verleger zwischen Norm und Kunde

175 Teilnehmer, 16 Aussteller, ein vollgepacktes Programm und ein Weltmeister aus den eigenen Reihen - das ist die Erfolgsbilanz der 5. Innovationstagung des BFW Fliesen Baden-Württemberg. Mit dem Sieger der World Skills Janis Gentner, seinem Ausbilder Patrick Abele, beide aus dem oberschwäbischen Aalen, sowie Trainer Roland Filkorn gab’s in Filderstadt zunächst etwas zu feiern. Schließlich wird man auch in Baden-Württemberg nicht alle Tage Weltmeister. LIV-Geschäftsführer Holger Braun betont die Signalwirkung und ermuntert das Gewerk: „Wir brauchen Betriebe, die junge Menschen fördern, die ihre Talente erkennen, sie trainieren und nicht lockerlassen.“ Umso erfreulicher sei es, dass die Meisterpflicht zurückkehre. „Sie gibt jungen Menschen im Handwerk eine Perspektive“, bestätigt Sven Blümel, Vorsitzender des Berufsförderungswerks. Andreas Häfner, Landesvorsitzender des Technischen Ausschusses des LIV, verweist auf das Plus von 1,4 Prozent bei den Ausbildungszahlen 2019 und freut sich: „Die Talsohle scheint durchschritten.“ Auch mit Hilfe vieler Geflüchteter, die aktuell zwei Drittel der neuen Auszubildenden im baden-württembergischen Fliesenhandwerk stellen.

Was die Norm garantiert und was nicht

Dass der Beruf ausgezeichnete Fachkräfte braucht, zeigt das anspruchsvolle Programm der Tagung. Bernd Stahl, Vorsitzender des Technisches Ausschusses des FFN, beschreibt allein die Herausforderungen, die sich aus den nach DIN 14411 zulässigen Materialtoleranzen und den heutigen Kundenerwartungen ergeben. Schon die Lichtverhältnisse der Normsituation (300 Lux) und jenen vor Ort (Tageslicht, bodentiefe Fenster) seien nicht vergleichbar. „Polierte Fliesen weisen im Gegenlicht immer leichte Schleifspuren auf“, nennt er eine häufige Reklamationsursache, die unter Normverhältnissen nicht ins Gewicht fällt, angesichts großer Fensterflächen aber schon. Selbst die Maßtoleranzen sind für kritische Kundenaugen grenzwertig. So darf das Istmaß einzelner Platten vom Werkmaß um bis zu sechs Prozent abweichen. Auch mit der Geradheit der Seiten nimmt es die Norm weniger genau als mancher Kunde. Angesichts schmaler Fugen können plus/minus 0,5 Prozent normgerechte Abweichung jedoch über den Erfolg eines Projekts entscheiden.

Normgerecht und trotzdem untauglich?!

Ob das Material normgerecht war, muss im Schadensfall an fünf Platten nachgewiesen werden. Gut, wer hierfür ausreichend Rückstellproben vorgehalten hat. „Die wesentlichen Punkte der Norm beziehen sich auf kleine Formate, die heute niemand mehr verlegt“, beschreibt Bernd Stahl das Dilemma. Ähnlich verhält es sich mit der Oberflächenbeschaffenheit. Fliesen, die sich an den Ecken bis zu 2 mm hoch- oder runterwölben, gelten als normgerecht. „Richter entscheiden heute aber danach, was ein Kunde erwartet“, weiß Stahl und betont: „Normgerechte Fliesen können deshalb zu untauglichen Belägen führen.“ Selbst bei rektifizierten Platten meint er: „Die von vielen Herstellern formulierten exakteren Materialeigenschaften sind oft nirgendwo genau beschrieben.“ Zur Vorsicht mahnt er auch in Bezug auf die Bruchlast, die mit der Fliesendicke normgerecht abnimmt. Stahls Fazit: „Überlegen Sie genau, was Sie Kunden zusagen und auf welcher Grundlage Sie Ihre Arbeit anbieten.“

Verfärbungen verhindern

Verfärbungen sind ein weiterer, häufiger Reklamationsgrund. Was ist zu tun, wenn Scherben Einwaschwasser, Fugenmörtel oder Pigmentreste einsaugen? Marcel Engels vom Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe Glas/Keramik erklärt in Filderstadt: Schuld kann der Engoben sein oder die Kapillarität. „Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der Poren, sondern auch, wie diese verteilt sind“, führt er aus. Zudem gäben feine Poren Feuchtigkeit langsamer ab, was ebenfalls Fleckenbildung und Haarrisse begünstige. Ein weiterer Tipp: Bei rutschigen Belägen immer die Umgebungsbedingungen betrachten. In vielen Prüffällen macht das Institut unsachgemäße Reinigung als Ursache für rutschige Beläge aus.

Schnittstelle Trockenbau

Bei Trockenbaukonstruktionen muss das gesamte System tragen. Besonders die Druckplatten bereiten schon mal Probleme, die eine Vorspannung brauchen, damit die spätere Beplankung eben wird. Grundsätzlich gilt: Wird gefliest, geht das ab einer einfachen Beplankung mit 18 mm oder (besser) einer Doppelbeplankung mit 2 x 12,5 mm. Und: „Die oberste Gipsfaserplatte muss geschraubt sein, nur die unterste darf geklammert werden. Außerdem müssen die Übergänge der ersten Beplankung ebenso verfugt werden, damit es nicht zu Unebenheiten kommt“, erklärt Manfred Haisch, Mitglied des Technischen Ausschusses im Fachverband der Stuckateure, den Kollegen aus dem Fliesengewerk. Im Nassbereich dürfen nur Feuchtraumplatten zum Einsatz kommen. Manfred Haisch: „Zementgebundene Platten müssen an den Fugen und Übergängen abgedichtet werden, Gipskarton ganzflächig.“ Zu Korrosionsschäden komme es, wenn verzinkte Profile auf Maß geflext und nicht mit der Blechschere geschnitten würden. Diskussionen löste die Frage aus, ob Gipskarton vollflächig mit Fliesenkleber überspachtelt werden dürfe. „Ja“, lautete die Antwort einiger anwesender Aussteller. Bis 5 mm funktioniere das und sollte 24 Stunden durchtrocknen.

Widerrufsrecht beachten

Damit es nach Vertragsschluss nicht zu bösen Überraschungen kommt, müssen Inhaber das Widerrufsrecht beachten. „Ein Recht auf Widerruf haben Kunden immer, wenn sie den Vertrag mit Ihnen in Ihrem Beisein außerhalb Ihrer Geschäftsräume schließen“, erklärt Rainer Mang, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht der Bauwirtschaft BW e.V.  Das gelte auch für Nachträge auf der Baustelle. Mang empfiehlt: Grundsätzlich keine mündlichen Verträge. Das Recht auf Widerruf bestehe auch, wenn der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikation geschlossen wird. Auch dann müsse man Kunden über ihr Widerrufsrecht aufklären. Wer das übersieht, dem droht Zahlungsausfall.

Wenn der Kunde das Material stellt

Auch das Produkthaftungsrecht hat seine Tücken. Stellt der Kunde das Material, ist der ausführende Handwerker trotzdem gehalten erkennbare Fehler anzumelden. „Das gilt für alle von Ihnen als Experte erkennbare Mängel“, erklärt Rechtsanwalt Mang. Liefere der Betrieb die Fliesen selbst, dann hafte er zudem für nicht erkennbare Mängel.  

Arbeitsschutz und Prävention

Arbeitsschutz und Gesundheitsprävention waren weitere Themen in Filderstadt. Von Hilfestellungen für die Gefährdungsbeurteilung, über Zuschüsse für Arbeitsschutz und ergonomische Hilfsmittel bis zu Information und Beratung stellte Dieter Terner vom Nürnberger Praxiszentrum das Angebot der BG Bau vor und präsentierte neue Hilfsmittel. Am Ende zeigt die Innovationstagung auch in ihrem fünften Jahr: Aus- und Weiterbildung bleiben unverzichtbar. Weltmeister Janis Gentner geht ebenfalls den nächsten Schritt. Am Tag nach der Veranstaltung startete er seine Ausbildung zum Meister.

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