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Pressemeldungen

Bauwirtschaft rechnet nicht mit raschem Auftragsboom in 2016

Wohnungsknappheit und Flüchtlingszustrom zwingen zum Handeln

Stuttgart. Besser als erwartet – mit dieser Einschätzung zieht die baden-württembergische Bauwirtschaft für 2015 eine durchaus positive Bilanz. Während der Winter zu Jahresbeginn die Baubetriebe noch eiskalt erwischt hatte, konnten aufgrund der milden Witterung im November und Dezember größere Auftragsbestände zügig abgearbeitet werden. Die stabile gesamtwirtschaftliche Lage sorgte im vergangenen Jahr zudem in fast allen Bausparten für steigende Umsatzzahlen. Laut Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg lag das Bauvolumen zwischen Januar und November bei 12,1 Mrd. Euro, ein Anstieg um 3,3 %. Erfreulich entwickelte sich der Wirtschaftsbau mit +5,8 %. Einen Dämpfer erhielt dagegen der Öffentliche Bau. Insbesondere wegen der niedrigen Investitionen im Straßenbau sank der Umsatzzuwachs im Vergleich zum Vorjahr um etwa ein Drittel auf nur noch 5,4 %. Vorerst ins Stocken geraten ist außerdem der Aufwärtstrend im Wohnungsbau. Hier gab es in den ersten elf Monaten sogar ein Minus von 0,4 %. Allerdings zeigt die Zahl der Wohnbauge­nehmigungen mit 6,8 % Plus wieder deutlich nach oben.

Die Auftragseingänge stiegen insgesamt um 4,0 % auf 7,1 Mrd. Euro. Besonders positiv ist die Auftragsentwicklung mit +21,9 % derzeit im Wirtschaftstiefbau. Äußerst robust zeigt sich der Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten lag im Schnitt bei 92.445. Laut einer Umfrage des Ifo-Institutes sind die Erwartungen der Bauunternehmen für die kommenden Monate außerdem so gut wie lange nicht mehr. „In Anbetracht der Turbulenzen auf dem chinesischen Markt gibt es für unsere stark exportabhängige Wirtschaft im Südwesten aber große Unsicher­heiten“, erklärt der Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft, Thomas Schleicher. Auch rechnet er in den kommenden Monaten trotz hoher Flüchtlings­zahlen noch nicht mit einem kräftigen Auftragsschub für den Wohnungsbau. „Bis Ende 2016 prognostizieren wir daher ein Umsatzplus von 1,5 bis 2 %.“

Angesichts des enormen Flüchtlingszustroms steht die Baubranche generell vor großen Herausforderungen. Allein im vergangenen Jahr kamen ca. 130.000 Asylsuchende nach Baden-Württemberg. Auf Dauer können diese Menschen nicht in Massenunterkünften bleiben. Das Problem von individuellem Wohnraum und raschen Arbeitsmöglichkeiten für anerkannte Asylbewerber wird deshalb immer dringlicher. Die Landesvereinigung Bauwirtschaft geht davon aus, dass allein für die 2015 angekommenen Flüchtlinge in den nächsten Jahren zusätzlich etwa 40.000 neue Wohnungen gebaut werden müssen. Allerdings herrscht bereits jetzt in den Ballungszentren Wohnungsknappheit. 2014 lag die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im Land bei gerade einmal 36.000. Um den normalen jährlichen Bedarf zu decken wären aber 50-60.000 Wohneinheiten notwendig. Rein kapazitätsmäßig ist Thomas Schleicher zuversichtlich, dass die Bauwirtschaft auch eine größere Nachfrage bewältigen kann. Viele Geschosswohnbauten könnten z.B. durch standardisierte Systembauweisen innerhalb weniger Monate entstehen.

Probleme in der Wohnraumfrage sieht der Baupräsident hingegen bei der Öffentlichen Hand, insbesondere was die Bereitstellung von Bauland und die rasche Erteilung von Baugenehmigungen angeht. „In Anbetracht der Personal­engpässe in den Behörden, der komplizierten Bauvorschriften und vor allem der langwierigen Genehmigungsverfahren werden sich die Entscheidungsprozesse bis zum eigentlichen Baubeginn mit Sicherheit hinziehen.“ Um mehr private Investoren für den Wohnungsbau zu gewinnen, fordert die Bauwirtschaft eine Umstellung von linearer auf degressive Afa mit attraktiven Abschreibungssätzen vor allem in den ersten Jahren. Die Vorschläge von Wirtschaftsminister Nils Schmidt und die Überlegungen auf Bundesebene gingen in die richtige Richtung. Rasche Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge auf dem Bau sieht Thomas Schleicher leider nicht, auch wenn die Bereitschaft seitens der Betriebe groß ist: „Unsere Baustellen sind oft hochtechnisiert. Angelernte Hilfskräfte werden kaum noch eingesetzt. Was wir brauchen sind qualifizierte Facharbeiter, die auch Deutsch sprechen. Asylbewerber werden also noch gut vier bis fünf Jahre brauchen, bevor sie über das entsprechende Knowhow verfügen, um bei uns arbeiten zu können.“

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