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Pressemeldungen

Maurer-Nachwuchskräfte aus Vietnam - ein künftiges Erfolgsmodell?

Baubetriebe in Oberschwaben setzen auf asiatische Lehrlinge

Ravensburg. Ausländische Lehrlinge sind für die Bauwirtschaft nichts Ungewöhnliches. Dass sie aus dem fernen Vietnam kommen aber schon. Hung, Thinh und Hien heißen sie, absolvieren bereits im zweiten Ausbildungsjahr im oberschwäbischen Aitrach ihre Maurerlehre und sind alles „saugute Jungs“, so Otto Birk, Chef des gleichnamigen Bauunternehmens und zugleich Obermeister der Bauinnung Ravensburg. „Mauern, vermessen, verputzen - unsere vietnamesischen Lehrlinge haben’s drauf und sind sehr gut integriert im Betrieb.“ Wenn Birk über seine asiatischen Azubis spricht, dann ist durchweg Begeisterung zu spüren. Den Jugendlichen aus Vietnam hier in Deutschland eine Ausbildungschance zu geben hat er nicht bereut, im Gegenteil.

Dabei ist die Erfolgsgeschichte aus Oberschwaben eigentlich aus der Not heraus geboren. Weil die Bauinnung Ravensburg 2020 nicht genügend heimische Maurerlehrlinge finden konnte, hat sie sich zusammen mit dem Berufsbildungswerk Adolf Aich in Ravensburg auf ein Experiment eingelassen: Das Bildungswerk, von dem die ungewöhnliche Lehrlingsinitiative ausging, hat zunächst drei junge Vietnamesen für eine Bauausbildung an die Firma Birk vermittelt - ausgestattet mit Visum und Arbeitserlaubnis für Deutschland. „Am Anfang waren wir ehrlich gesagt etwas skeptisch“, gibt Otto Birk zu. „Wird es Sprachprobleme geben, wie kommen die Jungs mit ihrer asiatischen Mentalität bei uns zurecht und was sagen die heimischen Kollegen?“ Aber die anfängliche Skepsis ist rasch verflogen. Heute ist der Firmenchef überzeugt, dass es eine gute Entscheidung war, den jungen Menschen aus Fernost einen Ausbildungsplatz in Deutschland anzubieten. Alle Vietnamesen bringen eine gute Schulbildung mit und haben zunächst in ihrer Heimat einen Deutschkurs absolviert, bevor sie nach Oberschwaben gekommen sind.

Weil das Ausbildungsprojekt bei der Firma Birk so gut funktioniert hat, wurden 2021 sieben weitere vietnamesische Baulehrlinge an Ravensburger Bauunternehmen vermittelt. Und auch die haben ähnlich gute Erfahrungen gemacht wie Otto Birk: „Unsere asiatischen Azubis sind integrationswillig, unglaublich motiviert, schaffen mit vollem Einsatz und haben sehr gute Noten in der Berufsschule. Außerdem fühlen sie sich offenbar wohl bei uns im Allgäu, trotz der für sie ungewohnt kalten Temperaturen im Winter. Die meisten wollen auch nach ihrer Ausbildung hier bleiben“, freut sich Bauunternehmer Birk und verweist in diesem Zusammenhang auf ein drohendes Problem: Gibt es im Rahmen der dualen Berufsausbildung an einem Schulstandort drei Jahre hintereinander weniger als 16 Schüler in einer Berufsschulklasse, besteht die Gefahr, dass sie aufgelöst wird. Dank der vietnamesischen Maurerlehrlinge liegt die Klassenstärke im zuständigen Standort Leutkirch im kommenden Ausbildungsjahr nun aber voraussichtlich bei 18 Schülern und damit über dem notwendigen Limit.

Um die asiatischen Azubis noch besser in Oberschwaben zu integrieren, gibt es vom Berufsbildungswerk Adolf Aich neben der Ausbildung außerdem soziale Unterstützung, etwa beim Erlernen der Sprache, bei der Wohnungssuche oder bei Behördengängen. Im Gegenzug rühren die vietnamesischen Lehrlinge in ihrer Heimat offenbar fleißig die Werbetrommel für eine Bauausbildung im fernen Deutschland. Inzwischen liegen für den Kreis Ravensburg 30 weitere Anfragen aus Vietnam vor. Immerhin sind die Lebensqualität und der Verdienst hierzulande deutlich höher als in Vietnam, das spricht sich rum. Schon im kommenden Ausbildungsjahr sollen weitere 15 vietnamesische Bau-Azubis in die Region Ravensburg kommen. Vielleicht macht das asiatische Lehrlingsmodell aus Oberschwaben ja bald auch landesweit Schule. Für die baden-württembergische Bauwirtschaft, die auch in Zukunft dringend qualifizierte Nachwuchskräfte sucht, möglicherweise ein neuer Weg, um der drohenden Ausbildungsbildungsmisere in Deutschland zu begegnen.

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