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Pressemeldungen

Wohnungsbau weiter im Abwärtssog - Diskussion um Heizungsgesetz bremst energetische Sanierung

Mehr klimaresilientes Bauen zum Schutz gegen Klimawandel

Stuttgart. „Wir haben schwierige Monate hinter uns und schwierige Monate vor uns“, so bilanziert Bernhard Sänger, Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg, die erste Jahreshälfte in der Baubranche. „Vor allem der Wohnungsbau befindet sich seit Jahresbeginn im freien Fall und verzeichnet einen existentiellen Auftragseinbruch.“ Deutlich besser seien die Firmen im Ausbaugewerbe ausgelastet. Unerwartet stark entwickelte sich die Nachfrage im öffentlichen Hochbau. Hier gab es im ersten Halbjahr 2023 sogar einen Umsatzzuwachs von 43 %. Über alle Bausparten hinweg erwirtschaftete das Bauhauptgewerbe in Baden-Württemberg zwischen Januar und Juni knapp 7,2 Mrd. Euro und damit nominal 8,1 % mehr als im Vorjahr. Preisbereinigt entstand aber ein Minus von 3,2 %. Zeitgleich sind die Auftragseingänge real um 9,4 % zurückgegangen. Zudem leiden sowohl Bauunternehmen als auch Bauherren nach wie vor unter stark gestiegenen Material- und Energiekosten, hohen Bauzinsen sowie fehlenden staatlichen Förderprogrammen. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 2,8 % auf 70.865. Bis Jahresende rechnet Bernhard Sänger mit einer weiter sinkenden Nachfrage und einem realen Umsatzminus von 2 bis 3 %.

Jetzt richten sich alle Erwartungen auf den Wohnungsgipfel am 25. September im Bundeskanzleramt. „Wir brauchen endlich handfeste Ergebnisse, um die fatale Entwicklung im Wohnungsbau zu stoppen“, so der Verbändechef. „Die Wohneigentums-förderung für Familien muss, genau wie die beschlossene degressive Abschreibung im Mietwohnungsbau, vom EH 40-Standard abgekoppelt werden. Auch sind die Einkommensgrenzen viel zu niedrig angesetzt, sie müssten auf 90.000 Euro pro Jahr plus 15.000 Euro pro Kind angehoben werden. Statt der Darlehensvergabe sollte es zudem wieder Zuschüsse geben. Und wir fordern mindestens 10 Mrd. Euro für die Wohnraumförderung im Neubaubereich. Immerhin sind im letzten Jahr zwei Drittel aller Wohnungen von Selbstnutzern in Auftrag gegen worden. Auch die Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer muss reduziert werden, sonst sind die Belastungen zu hoch“, warnt Sänger.

Positiver sieht die Lage bei den Ausbaubetrieben aus, da diese hauptsächlich im Gebäudebestand arbeiten. Immerhin hat die Bundesregierung im Rahmen des Klima- und Transformationsfonds die Mittel für energetische Sanierungsarbeiten im Bestand deutlich erhöht und 2023 knapp 17 Mrd. Euro an Fördergeldern bereitgestellt, 2024 kommen nochmal 18,8 Mrd. Euro hinzu. Dennoch gibt es auch hier einen signifikanten Nachfragerückgang. Rainer König, Vizepräsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft und zugleich Vorsitzender des Stuckateurverbandes Baden-Württemberg, ist alarmiert: „Die endlose Diskussion um das Heizungsgesetz hat die Menschen derart verunsichert, dass viele auch bei der Wärmedämmung zögern und abwarten, was da noch kommt. Dabei müsste die Devise lauten: Erst dämmen, dann pumpen - und nicht umgekehrt: Heizung vor Hülle. Dies ist der falsche Ansatz. Erst wenn die Gebäudehülle energetisch optimiert wurde, kann eine Wärmepumpe effizient arbeiten.“ Über 60 % der Wohngebäude in Baden-Württemberg sind älter als 45 Jahre (gebaut vor der ersten Wärmeschutzverordnung). Derzeit liegt die Sanierungsquote im Bestand bei ca. 1,5 % pro Jahr. Für das Erreichen der Klimaziele müsste sie etwa doppelt so hoch sein.

Neben der energetischen Sanierung und einer klimafreundlichen Heiztechnik muss beim Bauen grundsätzlich umgedacht werden, um sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Starkregenereignisse, Überschwemmungen und langanhaltende Hitzeperioden nehmen immer mehr zu und erfordern insbesondere in den urbanen Räumen klimaresilientere Bauweisen. Bereits heute gibt es dafür effiziente Lösungen. Ein Beispiel: die thermische Bauteilaktivierung bei mineralischen Baustoffen. Hierbei verlaufen wasser- oder luftführende Rohrleitungen durch Wände und Decken. So wird die gute Speicherfähigkeit von massiven Bauteilen zur Temperaturregulierung bzw. zur Kühlung genutzt. In Kombination mit Solarthermie lassen sich sogar energiepositive Gebäude realisieren. Empfohlen wird überdies das Bauen mit hellen, weniger aufheizbaren Materialien. Schlankere Betonteile können zudem CO2-Emissionen mindern, ebenso der Einsatz von Betonwerkstein mit Gesteinskörnung aus RC-Material. Das ist gut fürs Klima.

Wichtig ist außerdem eine verbesserte grün-blaue Infrastruktur in den Städten, etwa durch die Begrünung von Gebäudefassaden. Sie wirken kühlend und verbessern das Mikroklima. Dachbegrünungen können mittels Photovoltaik zudem zu einem optimalen Solar-Gründach kombiniert werden. Mehr Bäume sowie städtische Grünflächen verringern tagsüber obendrein den Hitzestress und produzieren nachts Kaltluft, ebenso wie die Anlage von großen innerstädtischen Wasserflächen. Überdies schützen Regenrückhaltebecken vor Überschwemmungen und längeren Trockenperioden. Auch die extreme Bodenversiegelung in den Städten muss durchbrochen werden. D.h. es sollten verstärkt die Schwammstadtprinzipien zur Entsiegelung und Wasserrückhaltung umgesetzt werden. In diesem Jahr unterstützt der Bund den Ausbau der grün-blauen Infrastruktur im Rahmen der Städtebauförderung mit gut 790 Mio. Euro.

 

Bildnachweis: Hess-Volk Architekten PartGmbH

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