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Pressemeldungen

Angezählt - Der Wohnungsbau liegt am Boden

Baupräsident fordert Entkopplung der Grunderwerbsteuer: Nur noch der Bodenwert sollte zählen, nicht der Immobilienwert

Künzelsau. Rückläufige Baugenehmigungen, sinkende Nachfrage und Personal, das kaum noch beschäftigt werden kann: Der Wohnungsbau liegt nach zahlreichen Tiefschlägen am Boden und kommt einfach nicht mehr auf die Beine. Mitschuld an diesem Knockout trägt auch die Politik, erklärt Markus Böll, Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg am Tag der Bauwirtschaft in Künzelsau. „Mit ihren radikalen Kürzungen bei den Förderprogrammen hat die Ampelregierung in Berlin ein absolutes Desaster angerichtet! Bauwillige sind frustriert, weil sie trotz gestiegener Baukosten, hoher Zinsen und anhaltender Inflation vom Staat finanziell im Stich gelassen werden“, wettert er. „Der Traum von den eigenen vier Wänden ist zum Albtraum geworden. Und die einsetzende Stornierungswelle hat viele Baubetriebe massiv ins Straucheln gebracht. Wir befürchten, dass es noch schlimmer kommt. Im Moment werden vor allem alte Auftragsüberhänge abgearbeitet. Weil aber kaum neue Aufträge hinzukommen, droht Kurzarbeit.“

Eine Entwicklung, die man seitens der Politik hätte vorhersehen können. Von den 10 Mrd. Euro, die es 2022 für die Wohnbauförderung gab, stehen in diesem Jahr nämlich nur noch knapp 2 Mrd. zur Verfügung. Und das zu verschärften Bedingungen. So müssen geförderte Gebäude neuerdings nach dem teureren EH 40 Standard gebaut werden. Zudem gibt es jetzt statt konkreter Zuschüsse nur zinsverbilligte Darlehen. Beim aktuellen KfW-Programm „Wohneigentum für Familien“ sind überdies die Einkommensgrenzen, bis zu der eine Förderung bewilligt wird, viel zu niedrig angesetzt. Markus Böll spricht daher von einer reinen Luftnummer: „Durch diese einschränkenden Fördervorgaben ist Bauen für viele einfach unrealistisch geworden. So werden die wohnungsbaupolitischen Ziele niemals erreicht. Wir fordern deshalb, dass die Neubauförderung deutlich ausgeweitet wird, damit die Wohnungsnot im Land nicht noch größer wird.“

Die nackten Zahlen sprechen für sich: Schon jetzt fehlen in Baden-Württemberg rund 70.000 Wohnungen. Die Baufertigstellungen sind 2022 um 3,3 % auf 35.522 Wohneinheiten gesunken. Mindestens 50.000 müssten aber pro Jahr neu gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Und Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. So sind die Auftragseingänge im Wohnungsbau zwischen Januar und April 2023 im Vergleich zum Vorjahr nominal um 24,2 % zurückgegangen (real -33,7 %). Die fehlenden Aufträge von heute sind aber die fehlenden Wohnungen von morgen. Zugleich sanken die Baugenehmigungen bis Mai um 21,3 %. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern gab es in den ersten fünf Monaten sogar einen Rückgang um 44,7 %. Auch im sozialen Wohnungsbau herrscht Stillstand. Wie bereits 2022 droht mitten im Jahr ein erneuter Förderstopp für Sozialwohnungen, weil die Fördertöpfe wegen der enormen Nachfrage schon jetzt praktisch leer sind. „Da hilft auch die Aufstockung um 36 Millionen Euro auf 463 Millionen Euro für 2023 nicht viel. Hier muss die Politik dringend nachlegen, sonst gibt es echte Verteilungskämpfe. Also - nicht kleckern, sondern klotzen. Nur das bringt den gewünschten Erfolg“, so Böll.

Was den Baupräsidenten außerdem alarmiert, ist die zunehmende Zurückhaltung großer Investoren. Immer mehr Wohnungsbauprojekte würden inzwischen auf Eis gelegt, wie beispielsweise der spektakuläre Rückzieher der EnBW zeigt, die in der Landeshauptstadt Stuttgart 800 Wohnungen bauen wollte. Zu teuer, zu unrentabel. Jetzt soll die Stadt als möglicher Investor einspringen, ebenso wie beim ehemaligen IBM Gelände, auf dem mehrere Wohnquartiere entstehen sollen. Dies tut auch not, denn inzwischen werden in Stuttgart nur noch halb so viele Wohnungen fertig gestellt wie vor zehn Jahren. 2022 waren es gerade mal 956.

Um dem Wohnungsbau dauerhaft aus der Krise zu führen und Arbeitsplätze zu sichern, setzt Markus Böll konsequent auf Maßnahmen, die mehr privates Kapital in den Wohnungsmarkt lenken - wenn schon die Politik nicht in der Lage ist, hier gezielt zu fördern. Unter anderem sollte es neben einer verbesserten Sonder-Afa eine degressive Abschreibung ohne einschränkende Vorgaben geben und eine reduzierte Grunderwerbsteuer. Böll schlägt dazu vor, eine Entkoppelung vom Wert der Immobilie vorzunehmen und die Steuer künftig nur noch auf den Bodenwert zu entrichten. Dies würde Bauwilligen mehr Luft für ihre Finanzierung verschaffen.

Wichtig sind seiner Ansicht nach aber auch realistische Baustandards: „Einfacher bauen und damit kostengünstiger, das geht. Der jetzt geforderte Energiestandard EH 40 zum Beispiel bringt gegenüber dem früheren EH 55 Standard nur einen minimalen Effizienzgewinn, treibt aber die Kosten überdurchschnittlich in die Höhe. Auch weniger Haustechnik, der Verzicht auf verpflichtende Fahrradstellplätze oder ein vereinfachter Schallschutz würden das Bauen deutlich billiger machen. All diese Preistreiber müssen dringend überdacht und abgebaut werden, damit wir endlich runter kommen von den hohen Baukosten. Nur so kann der Wohnungsbau wieder Tritt fassen und die Schockstarre der letzten Monate überwinden.“

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Markus Böll Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V.